Artikel in „ModellWerft“ Ausgabe 03/01
Ein Seenotrettungboot mit Jet-Antrieb
Im Jahr 1993 wurden von der DGzRS vier neue Seenotrettungsboote für das Einsatzgebiet zwischen Mecklenburger und Pommerscher Bucht ihrem Zweck übergeben. Für dieses Einsatzgebiet wurden spezielle Boote entwickelt, die sogenannten „Boddenboote“. Diese Boote sind mit einem Jet-Antrieb ausgestattet. Der Tiefgang von ca. 50 cm erlaubt auch den Einsatz in flachem Wasser. Mit einer Länge von 7 m, einer Breite von 2,5 m und ihrem 220-PS-Motor erreichen diese Boote eine Geschwindigkeit von 20 kn. Im Gegensatz zu anderen Einheiten liegen die Boddenboote im Ruhezustand nicht im Hafen, sie befinden sich vielmehr auf einem speziellen Trailer, mit dem sie eine Einheit bilden. Zu diesem Trailer gehört außerdem noch ein Unimog U 2150 L. Im Einsatzfall fährt der Unimog mit dem Trailer über den flachen Strand rückwärts ins Wasser, bis das Boot aufschwimmt und zum Einsatzort fahren kann. An technischer Ausstattung sind vorhanden: Decca-Navigator, Radar, Echolot, GPS und Fremdlenzpumpe. Die Besatzung besteht aus Freiwilligen. Das Original ist unter dem Namen „Hecht“ auf Zinnowitz stationiert und trägt die Nummer DH3783.
Das Modell
Seit 1995 wartet die Fa. Graupner mit einem recht guten Baukasten des Seenotrettungsbootes „Hecht“ auf. Der Baukasten ist von sehr guter Qualität, er könnte wohl noch etwas detailreicher sein, aber andererseits hat man so mehr persönliche Freiheiten zur Verfeinerung. Im Baukasten sind alle wichtigen Teile für die „Hecht“ enthalten, sogar vorgestanzte Teile für den Ständer. Der passende Beschlagsatz sowie der Jet-Antrieb und die Umkehrvorrichtung müssen gesondert gekauft werden. Rumpf, Deck, Kajüte und Auftriebskörper sind aus ABS tiefgezogen und fertig ausgefräst. Die restlichen Teile, wie zum Beispiel der Mast, müssen ausgeschnitten werden, was nicht ganz so leicht ist, da die Schnittstellen kaum zu erkennen sind. Aber mit Geduld und Anzeichnen mit einem weichen Bleistift hat es ganz gut geklappt. Ich verklebte sämtliche ABS-Teile untereinander mit Azeton. Azeton löst das ABS an und „verschweißt“ es. Teilweise war nicht mal mehr ein Nachspachteln und Schleifen nötig, da auch kleine Spalten so geschlossen wurden.
Antrieb und Jet
Die Öffnungen für den Jet-Antrieb sind bereits fertig ausgefräst. Es muß nur der Jet selbst zusammengeklebt, gespachtelt und verschliffen werden, was aber keinen großen Aufwand darstellt. Etwas problematischer war das Abdichten der Hecköffnung. Das Impellerrohr wird von außen eingesetzt und von innen verklebt. Dabei ist eine genaue Ausrichtung sehr wichtig, sonst sitzt hinterher die Steuerdüse (zum rechts-links lenken) nicht winkelig auf der Ausstoßdüse. Die Bohrungen für die Steuerdüse müssen 100-%ig senkrecht stehen, sonst läuft das Schiff später unruhig. Die Ausstoßdüse wird dann von außen mit acht Schrauben auf das Impellerrohr geschraubt. Diese Schrauben durchstoßen jedoch den Heckspiegel, auf dem von Innen ein Sperrholzstück zur Verstärkung aufgeklebt ist. Und durch diese Verschraubung drang bei mir immer wieder Wasser ins Schiffsinnere. Aber mit Sekundenkleber und viel Zweikomponentenkleber konnte ich das Ganze doch abdichten. Der Rumpf wurde übrigens bereits vor Einbau der äußeren Teile des Jets lackiert.
Der Einbau des Motors ist dagegen sehr einfach. Dafür werden zwei Längsspanten in die beiden inneren Längsstringer geklebt, auf denen der Motorspant und die Servoplatte montiert werden. Durch diese Spanten sitzt der Motor genau mittig zur Welle – bei mir war fast keine weitere Anpassung mehr nötig. Bei der Auswahl des Motors bin ich vom Vorschlag des Bauplans abgewichen, da ich noch einen Speed 600 BB in der Bastelkiste hatte. Normalerweise sollte ein Speed 700 zum Einsatz kommen, aber bereits mit dem 600er ist das Boot übermotorisiert.
Jetzt sind noch die zwei Röhrchen für die Gestängedurchführung zur Lenk- und Umkehrvorrichtung und die zugehörigen Servos einzubauen. Dann wird die Steuerdüse montiert und das zugehörige Gestänge eingehängt. Die Umkehrklappe kann alternativ gekauft werden (ich empfehle auch, es zu tun). Sie wird mitsamt dem Gestänge montiert. Die Abdichtung beider Gestänge erfolgt mit Gummimanschetten.
Deck und Schlepphaken
Das Deck habe ich bereits vor dem Aufkleben lackiert. Ich verwendete nicht die von Graupner vorgeschlagenen Farben, sondern seidenmatte Farben, die ich mir nach Angaben der DGzRS-Farbkarte in Spraydosen mischen ließ. Auch die Poller habe ich bereits jetzt lackiert und nicht auf Deck verklebt, sondern von unten verschraubt, damit sie auch im Modell ihrem eigentlichen Zweck dienen können. Im Heckbereich sollten die Haltebügel in diesem Bauzustand eingebaut werden, später kommt man hier nicht mehr dran.
Als kleine Sonderfunktion kam jetzt noch ein abschießbarer Schlepphaken (Firma. Robbe) mit Leine hinzu. Er ist unter dem eigentlichen Schlepphaken eingebaut und besteht aus einem Zylinder mit Feder, Auslösehebel und einem kleinen Metallteil, das abgeschossen werden kann. Ich hatte in der Bastelkiste noch ein älteres Mini-Servo, das nicht mehr das beste ist, aber es reicht, um den Auslösehebel zu bedienen. Mit dieser kleinen aber netten Sonderfunktion wird aus einem Modell eines Seenotrettungsbootes ein echtes Boot für Notfälle auf dem Modellteich. Die Schleppleine hängt im Normalbetrieb am echten Schlepphaken, an dem sie auch festgeknotet ist. Sollte ein Boot in „Seenot“ geraten sein, dann wird das abschießbare Metallstück in den Zylinder gesteckt und eingerastet. Die Leine wird einfach lose auf das achtere Deck gelegt. Über das Servo wird dann der „Schuß“ ausgelöst, und wenn alles gut geht, verfängt sich das Metallstück (an dem noch ein kleiner Angelhaken angeknotet ist) auf dem havarierten Schiff, das so in den rettenden Hafen geschleppt werden kann. Auf diese Weise habe ich schon einige Schiffe ohne großen Aufwand ans rettende Ufer geschleppt.
Auftriebskörper
Einen kleinen Teil des Aufbaus stellt der sogenannte Auftriebskörper. Dabei handelt es sich um den achteren Abschluß des Steuerstandes (mit Tür). Ich habe ihn als echten Auftriebskörper gebaut, d.h. er ist wasserdicht und sollte aufgrund seiner Größe so viel Restauftrieb haben, daß die „Hecht“ nicht sinken kann. Auch den Aufbau habe ich vor dem Aufkleben auf Deck lackiert. Leider hatte er sich beim Zusammenbau etwas verzogen, so daß es etwas schwierig war, ihn aufzukleben. Hier hätte ich etwas sorgfältiger arbeiten müssen.
Die Kajüte
Der Kajütaufbau ist sehr leicht zu erstellen. Das einzig Erwähnenswerte ist die Lifebelt-Schiene. Die Konstruktion erweist sich beim Aufbau selbst manchmal als ganz schön wackelig, aber nachdem der Leim ausgetrocknet ist, ist das Ganze doch erstaunlich stabil. Die Klebestellen von Schiene und Stützen habe ich abgeklebt, damit hinterher der Leim besser haftet. Ich habe die Kajüte nach Einbau der Stützen und vor Ankleben der Lifebelt-Schiene lackiert. Die Schiene ist im Original nicht weiß wie im Modellplan, sondern aluminium-farben, daher wurde sie erst später montiert und lackiert. Die Fensteröffnungen sind schon fertig ausgefräst und müssen nach dem Lackieren nur noch mit den beiliegenden anthrazitfarbenen Kunststoffscheiben hinterklebt werden.
Der Mast
Der Mast bereitete mir schon etwas mehr Probleme als die Kajüte. Es muß doch eine ganze Menge geschliffen und gespachtelt werden. Beim Ausscheiden der Maststützen habe ich mich zudem verschnitten, so mußte eine Stütze auch noch „geflickt“ werden. Auf dem Mast sind drei Positionslichter, drei Scheinwerfer und ein Blaulicht angebracht, die ich eigentlich auch funktionsfähig gestalten wollte. Ich habe mich dann allerdings auf das Blaulicht beschränkt. Mein Boot fährt eh nie nachts und es sollte nur vorbildähnlich gebaut werden. Beim Plastikkörper des Blaulichts gefiel mir die Farbe nicht (zu hell), deshalb habe ich es mit Lampenlack nachgedunkelt.
Das Blaulicht wird über einen elektronischen Schalter, an dem eine Blinkelektronik hängt, ferngesteuert ein- und ausgeschaltet. Gleichzeitig ertönt ein elektronisches Martinshorn. Dieses ist parallel zur Blinkelektronik angeschlossen und speist einen 10-cm-Breitbandlautsprecher im Inneren des Bootes. Der Mast hat an beiden Seiten eine „Flaggenleine“ mit der Fahne der DGzRS und einer Deutschlandfahne. Das ist von Graupner allerdings alles andere als schön gelöst. Als Fahnen dienen ausgeschnittene Aufkleber, und die Leinen sind dünner Stahldraht. Daher werde ich beides demnächst durch echte Leinen und Fahnen aus Seide ersetzen.
Der Mast ist komplett umklappbar (wie beim Vorbild). Dazu wird die Mastleine an der vorderen Stütze der Lifebelt-Schiene nur eingehängt und kann zum Transport gelöst werden. Beim Ablängen der Mastleine sollte man sehr genau arbeiten, damit hinterher der Mast nicht zu sehr auf Zug, aber auch nicht zu locker eingehängt ist.
Fahrverhalten
Das Seenotrettungboot „Hecht“ hat mich mit seinem Fahrverhalten doch überrascht. Mit dem Speed 600BB ist es leicht übermotorisiert, was sich in einem Hin- und Hertänzeln bei Vollgas bemerkbar macht. Aber bei diesem Boot braucht man gar nicht Vollgas fahren, um Spaß zu haben. Es ist extrem wendig und eigentlich unverwüstlich. Selbst ein Ruder-Vollausschlag bei Vollgas stört nicht weiter. Daß das Deck und die Aufbauten dadurch nicht trocken bleiben, muß ich wohl nicht betonen. Ab und zu kann es passieren, daß etwas Wasser ins Innere gelangt, wenn man gar zu wild war, aber das steckt die „Hecht“ locker weg.
Ich verwende in meiner Hecht zwei Akku-Packs mit 8,4 Volt und 1700 mAh, die ich entgegen dem Bauvorschlag von Graupner nicht in Reihe sondern parallel geschaltet habe. Mit dieser Konstellation von Akkus und Motor komme ich auf ungefähr 20 km/h. Die Fahrzeit bei mittleren Geschwindigkeiten liegt bei ca. 30 bis 45 Minuten. Beim Gesamtgewicht von derzeit 2,8 kg erreicht nicht die Baukastenangabe von 3 kg. Eine kleine Reserve für Zusatzfunktionen ist also vorhanden.
Bedingt durch den Jet-Antrieb sind die Fahrleistungen im Rückwärtsgang ziemlich bescheiden. Es reicht hier eigentlich nur zum ganz abrupten Bremsen und zum langsamen Annähern an ein havariertes Schiff oder an die Kaimauer. Durch den hohen Aufbau und den geringen Tiefgang ist die „Hecht“ auch für jeden Windstoß anfällig. Dank dem kräftigen Jet-Antrieb ist das allerdings nicht unbedingt ein Nachteil.
Das Boot läßt noch einige Freiräume für die persönliche Note durch weitere Ausschmückungen. Ich habe schon mal angefangen und im Mast noch einen Lautsprecher montiert, an der Kajüte gibt es jetzt Rettungshaken usw. Das Besatzungsmitglied war nicht so leicht aufzutreiben. Es sollte eine Figur mit einem orangen Overall sein, die nicht größer als 18 cm ist. Fündig wurde ich dann beim Helicopter-Hersteller Vario. Dort gibt es einen passenden Piloten. Er ist zwar etwas zu groß und hat eigentlich eine sitzende Position, aber mit Messer, Leim und Epoxydharz war auch das zu korrigieren. Leider gibt es von der „Hecht“ keinen Fotobogen bei der DGzRS (wie beim SRK Berlin), ich würde mir einen wünschen.
Alles in Allem ist die Hecht ein interessantes Modell, nicht unbedingt für den Einsteiger, aber für den schon etwas erfahrenen Modellbauer. Der Jet-Antrieb eröffnet viele Möglichkeiten und bringt Spaß am Teich.
Übrigens: Die Farbkarte für den Modellbau, zum originalgetreuen Lackieren der DGzRS-Einheiten, erhalten Sie gegen einen kleinen Unkostenbeitrag bei der DGzRS, die auch nichts gegen eine kleine Spende hat.
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